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Gold - Pirate Latitudes Page 7


  Sir James Almont hatte keine Zeit für Omen. An dem Vormittag befragte er einen französischen Gauner namens L’Olonnais, der am Morgen mit einem spanischen Zweimaster als Prise in den Hafen eingelaufen war. L’Olonnais hatte keinen Kaperbrief, und außerdem herrschte offiziell Frieden zwischen England und Spanien. Noch schlimmer war die Tatsache, dass der Zweimaster, als er im Hafen ankam, nichts barg, was von besonderem Wert gewesen wäre. Ein paar Felle und Tabak, das war alles, was in seinem Frachtraum gefunden wurde.

  L’Olonnais war zwar ein bekannter Korsar, aber er war ein dummer, brutaler Mann. Viel Intelligenz brauchte man als Freibeuter freilich nicht. Man musste lediglich in den richtigen Breiten abwarten, bis zufällig ein geeignetes Schiff vorbeikam, und es dann angreifen. Jetzt stand L’Olonnais mit seiner Mütze in den Händen im Büro des Gouverneurs und erzählte seine unwahrscheinliche Geschichte mit kindlicher Unschuld. Er sei zufällig auf den Zweimaster gestoßen, sagte er, und habe ihn verlassen vorgefunden. Es sei niemand an Bord gewesen, und das Schiff sei steuerlos herumgetrieben.

  »Wahrhaftig, es muss von einer Seuche oder einem anderen Unheil befallen worden sein«, sagte L’Olonnais. »Aber es war ein stattliches Schiff, und ich hielt es für meine Pflicht der Krone gegenüber, es hierher in den Hafen zu bringen, Sire.«

  »Es war überhaupt niemand an Bord?«

  »Nicht eine Menschenseele.«

  »Auch keine Toten?«

  »Nein, Sire.«

  »Und Ihr habt keinen Hinweis darauf entdeckt, welches Unglück dem Schiff widerfahren ist?«

  »Nicht einen, Sire.«

  »Und die Ladung –«

  »So wie Eure Inspektoren sie vorgefunden haben, Sire. Wir würden nichts anfassen, Sire. Das wisst Ihr.«

  Sir James fragte sich, wie viele unschuldige Menschen L’Olonnais ermordet hatte, um die Decks des Handelsschiffes zu leeren. Und er fragte sich, wo der Pirat an Land gegangen war, um die kostbaren Anteile der Ladung zu verstecken. Im Karibischen Meer lagen unzählige Inseln und kleine brackige Eilande, die sich bestens dafür eigneten.

  Sir James trommelte mit den Fingern auf seinen Schreibtisch. Der Mann log offensichtlich, aber er brauchte Beweise. Selbst im rauen Port Royal galt das englische Gesetz.

  »Nun gut«, sagte er schließlich. »Ich weise Euch ausdrücklich darauf hin, dass die Krone überaus unzufrieden mit der Beute ist. Der König nimmt daher ein Fünftel –«

  »Ein Fünftel!« Normalerweise nahm der König ein Zehntel oder sogar nur ein Fünfzehntel.

  »In der Tat«, sagte Sir James gelassen. »Seine Majestät erhält ein Fünftel, und ich weise Euch zudem ausdrücklich darauf hin, dass Ihr unverzüglich vor Gericht gestellt und als Pirat und Mörder gehängt werdet, falls mir irgendein Beweis für niederträchtiges Verhalten Eurerseits zu Ohren kommt.«

  »Sire, ich schwöre Euch, ich –«

  »Genug«, sagte Sir James und hob eine Hand. »Ihr dürft vorläufig gehen, aber denkt an meine Worte.«

  L’Olonnais verbeugte sich mit übertriebenem Eifer und ging rückwärts aus dem Zimmer. Almont läutete nach seinem Berater.

  »John«, sagte er, »spürt mir einige von L’Olonnais’ Seeleuten auf und sorgt dafür, dass ihre Zungen gut mit Wein geölt werden. Ich will wissen, wie er an das Schiff gekommen ist, und ich will stichhaltige Beweise gegen ihn.«

  »Sehr wohl, Euer Exzellenz.«

  »Und John: Legt den Zehnt für den König beiseite und ein Zehntel für den Gouverneur.«

  »Ja, Euer Exzellenz.«

  »Das wäre alles.«

  John verbeugte sich. »Euer Exzellenz, Captain Hunter ist da wegen seiner Papiere.«

  »Dann führt ihn herein.«

  Einen Moment später betrat Hunter den Raum. Almont stand auf und schüttelte ihm die Hand.

  »Ihr seid offenbar guter Laune, Captain.«

  »Das bin ich, Sir James.«

  »Die Vorbereitungen laufen gut?«

  »Vortrefflich, Sir James.«

  »Zu welchen Kosten?«

  »Fünfhundert Dublonen, Sir James.«

  Almont hatte mit dieser Summe gerechnet. Er holte einen Beutel Münzen aus seinem Schreibtisch hervor. »Das wird genügen.«

  Hunter nahm das Geld mit einer Verbeugung entgegen.

  »Nun denn«, sagte Sir James. »Ich habe ein Schreiben aufsetzen lassen, das Euch das Fällen von Blutholz gestattet, wo immer Ihr es als angemessen erachtet.« Er reichte Hunter den Brief.

  Im Jahre 1665 galt der Handel mit Blutholzbäumen bei den Engländern als rechtmäßig, obgleich die Spanier das Monopol auf diesen Handel für sich beanspruchten. Das Holz des Blutholzbaumes, Haematoxylum campechianum, wurde für die Herstellung von rotem Farbstoff sowie in gewissen Arzneien verwendet. Es war ebenso wertvoll wie Tabak.

  »Ich muss Euch darauf hinweisen«, sagte Sir James bedächtig, »dass wir keinen Angriff auf irgendeine spanische Siedlung gutheißen können, solange keine Provokation vorliegt.«

  »Ich verstehe«, sagte Hunter.

  »Vermutet Ihr, dass es zu einer Provokation kommen wird?«

  »Ich bezweifle es, Sir James.«

  »Dann wird Euer Angriff auf Matanceros selbstredend als Piratenüberfall betrachtet werden.«

  »Sir James, unsere kümmerliche Schaluppe Cassandra, leicht bewaffnet und, wie Eure Papiere beweisen, zu Handelszwecken unterwegs, könnte von den Kanonen auf Matanceros unter Feuer genommen werden. Wären wir in diesem Fall nicht gezwungen zurückzuschlagen? Der ungerechtfertigte Beschuss eines harmlosen Schiffs ist nicht zu billigen.«

  »Wahrhaftig nicht«, sagte Sir James. »Ich bin sicher, ich kann darauf vertrauen, dass Ihr wie ein Soldat und Gentleman handelt.«

  »Ich werde Euer Vertrauen nicht enttäuschen.«

  Hunter wandte sich zum Gehen. »Noch ein Letztes«, sagte Sir James. »Cazalla genießt Philipps Gunst. Cazallas Tochter ist mit Philipps Vizekanzler verheiratet. Sollte Cazallas Bericht über die Ereignisse in Matanceros anders ausfallen als Eure Darstellung, wäre das für Seine Majestät König Charles höchst unerfreulich.«

  »Ich bezweifele«, sagte Hunter, »dass Cazalla irgendwelche Berichte abliefern wird.«

  »Es darf keine geben.«

  »Aus den Tiefen des Meeres werden gemeinhin keine Berichte gesandt.«

  »Fürwahr«, sagte Sir James. Die beiden Männer schüttelten einander die Hände.

  Als Hunter die Gouverneursresidenz verließ, reichte eine schwarze Dienstmagd ihm einen Brief, machte dann wortlos kehrt und verschwand wieder. Hunter ging die Stufen der Residenz hinunter und las dabei den Brief, der von einer Frauenhand verfasst worden war.

  Verehrter Captain – Wie mir unlängst zur Kenntnis gebracht wurde, soll sich im Innern der jamaikanischen Insel, im sogenannten Crawford’s Valley, eine wunderschöne Süßwasserquelle befinden. Um die Wonnen meiner neuen Heimstatt kennenzulernen, werde ich am Nachmittag einen Ausflug dorthin machen und hoffe, dass mir nicht zu viel versprochen wurde.

  Herzlichst Eure Emily Hacklett

  Hunter steckte den Brief in die Tasche. Unter normalen Umständen hätte er der zwischen Mrs Hackletts Zeilen versteckten Einladung auf keinen Fall Folge geleistet. Er hatte an diesem letzten Tag vor dem Auslaufen der Cassandra noch alle Hände voll zu tun. Doch er musste ohnehin ins Landesinnere, um sich mit Black Eye zu treffen. Falls ihm danach noch etwas Zeit blieb … Er zuckte die Achseln und ging zu den Ställen, um sein Pferd zu holen.

  KAPITEL 9

  Der Jude hatte sich östlich von Port Royal in der Sutter’s Bay versteckt. Schon von Weitem sah Hunter beißenden Rauch über den grünen Bäumen aufsteigen und hörte gelegentlich Sprengladungen knallen.

  Als er auf eine kleine Lichtung ritt, sah er den Juden inmitten einer bizarren Szenerie: Überall lagen tote Tiere herum, die in der heißen Mittagssonne vor sich hin stanken. Auf einer Seite standen drei kleine Holzfässer mit Salpeter, Holzkohle und Schwefel. Glasscherben glitzerten in den hohen Bäumen. Der Jude selbst arbeitete fieberhaft, Kleidung und Gesicht beschmiert mit Blut und dem Staub von explodiertem Pulver.

  Hunter stieg vom Pferd und sah s
ich um. »Was in Gottes Namen treibt Ihr hier?«

  »Das, worum Ihr mich gebeten habt«, erwiderte Black Eye. Er lächelte. »Ihr werdet nicht enttäuscht sein. Hier, ich zeig es Euch. Als Erstes habt Ihr mich beauftragt, eine lange und langsam brennende Zündschnur herzustellen. Ja?«

  Hunter nickte.

  »Die üblichen Zündschnüre sind untauglich«, sagte der Jude abfällig. »Man könnte eine Pulverspur verwenden, aber die brennt sehr rasch ab. Oder man könnte eine Lunte verwenden.« Eine Lunte bestand aus einem in Salpeter getränkten Stück Kordel oder Zwirn. »Aber eine Lunte ist ausgesprochen langsam, und häufig ist die Flamme zu schwach, um den Sprengstoff zu entzünden. Versteht Ihr?«

  »Aber ja.«

  »Nun denn. Eine Flamme mit mittlerer Brenngeschwindigkeit erhält man durch einen erhöhten Schwefelanteil im Pulver. Aber eine solche Mischung gilt als unzuverlässig. Die Flamme könnte zwischendurch ausgehen, was wir nicht wollen.«

  »Nein.«

  »Ich habe allerlei getränkte Schnüre und Dochte und Lappen ausprobiert, vergeblich. Auf nichts davon ist Verlass. Daher habe ich nach einem Behältnis für das Pulver gesucht. Und das hier gefunden.« Er hielt ein dünnes weißes, sehniges Material hoch. »Die Gedärme einer Ratte«, sagte er mit einem glücklichen Lächeln. »Ich habe sie über warmen Kohlen leicht getrocknet, um die Säfte zu entfernen, und sie sind dennoch geschmeidig geblieben. Also, mit Pulver gefüllt, wird aus dem Darm eine brauchbare Zündschnur. Ich zeig es Euch.«

  Er nahm ein etwa zehn Fuß langes weißliches Stück Darm, durch dessen Wand das Pulver dunkel durchschien. Er legte es auf die Erde und zündete ein Ende an.

  Die Zündschnur brannte nur leise zischend und so langsam, dass die Flamme in einer Minute höchstens ein bis zwei Zoll zurücklegte.

  Der Jude strahlte übers ganze Gesicht. »Seht Ihr?«

  »Ihr habt allen Grund, stolz zu sein«, sagte Hunter. »Könnt Ihr diese Zündschnur transportieren?«

  »Mühelos«, sagte der Jude. »Das einzige Problem ist die Zeit. Wenn der Darm zu sehr austrocknet, wird er brüchig und könnte reißen. Das passiert nach gut einem Tag.«

  »Dann müssen wir eine Anzahl Ratten mitnehmen.«

  »Das denke ich auch«, sagte der Jude. »Und nun habe ich noch eine Überraschung, etwas, das Ihr nicht in Auftrag gegeben habt. Vielleicht habt Ihr keine Verwendung dafür, aber ich halte es für eine großartige Erfindung.« Er hielt inne. »Sagt Euch das Wort grenadoe etwas?«

  »Nein«, sagte Hunter kopfschüttelnd. »Was soll das sein? Eine vergiftete Frucht?«

  »Gewissermaßen«, sagte der Jude mit einem schwachen Lächeln. »Es ist eine besondere Waffe. Ich hatte von ihr gehört, aber auch, dass ihre Herstellung gefährlich ist. Ich habe es dennoch gewagt. Entscheidend ist die richtige Salpetermenge. Ich zeige es Euch.«

  Der Jude hielt eine leere Glasflasche mit kleinem Hals hoch. Vor Hunters Augen schüttete der Jude eine Handvoll Vogelschrot und einige Metallstückchen hinein. Während er hantierte, sagte der Jude: »Ich möchte nicht, dass Ihr schlecht von mir denkt. Wisst Ihr etwas über die Gran Complicidad?«

  »Nur ein wenig.«

  »Es fing an mit meinem Sohn«, sagte der Jude und verzog das Gesicht, während er die grenadoe vorbereitete. »Im August des Jahres 1639 hatte mein Sohn dem jüdischen Glauben schon lange abgeschworen. Er lebte in Lima, in Peru, in Neuspanien. Seine Familie gedieh. Er hatte Feinde.

  Am elften August wurde er festgenommen« – der Jude schüttete noch mehr Schrot in die Flasche – »und angeklagt, ein heimlicher Jude zu sein. Es hieß, er würde an einem Samstag nicht verkaufen und auch keinen Speck zum Frühstück essen. Er wurde als Judaisierer gebrandmarkt. Er wurde gefoltert. Man zog ihm rot glühende Eisenschuhe an die nackten Füße, die ihm das Fleisch versengten. Er gestand.« Der Jude füllte die Glasflasche bis oben mit Pulver und versiegelte sie mit flüssigem Wachs.

  »Er wurde sechs Wochen lang eingekerkert«, fuhr er fort. »Im Januar 1639 wurden elf Männer auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Sieben davon bei lebendigem Leibe. Einer der sieben war mein Sohn. Cazalla war der Garnisonskommandant, der das Autodafé überwachte. Der Besitz meines Sohnes wurde beschlagnahmt. Seine Frau und seine Kinder … verschwanden.«

  Der Jude warf Hunter einen kurzen Blick zu und wischte sich die Tränen ab, die ihm in den Augen standen. »Ich trauere nicht«, sagte er. »Aber vielleicht versteht Ihr das hier jetzt besser.« Er hob die grenadoe und steckte eine kurze Lunte hinein.

  »Ihr sucht besser Deckung hinter den Büschen da«, sagte der Jude. Hunter gehorchte und sah zu, wie der Jude die Flasche auf einen Felsen stellte, die Lunte anzündete und dann wie verrückt zu ihm gerannt kam. Beide Männer beobachteten die Flasche.

  »Was soll denn passieren?«, fragte Hunter.

  »Schaut hin«, sagte der Jude und lächelte zum ersten Mal.

  Einen Augenblick später explodierte die Flasche. Glas und Metall wurde in alle Richtungen geschleudert. Hunter und der Jude duckten sich, hörten, wie die Bruchstücke über ihnen durchs Laub fetzten.

  Als Hunter den Kopf wieder hob, war er blass. »Allmächtiger«, sagte er.

  »Keine ehrenhafte Apparatur«, sagte der Jude. »Sie fügt allem, was fester ist als Fleisch, nur wenig Schaden zu.«

  Hunter blickte den Juden neugierig an.

  »Der Spanier hat derlei Aufmerksamkeiten verdient«, sagte der Jude. »Was haltet Ihr von der grenadoe?«

  Hunter zögerte. Alles in ihm lehnte sich gegen eine so unbarmherzige Waffe auf. Doch er zog mit sechzig Mann los, um in einem feindlichen Stützpunkt eine Schatzgaleone zu kapern: sechzig Mann gegen eine Festung mit dreihundert Soldaten und der Schiffsbesatzung an Land, was noch einmal zwei-oder dreihundert Mann ausmachte.

  »Baut mir ein Dutzend«, sagte er. »Verpackt sie gut für die Reise und erzählt niemandem davon. Sie sind unser Geheimnis.«

  Der Jude lächelte.

  »Ihr werdet Eure Rache bekommen, Don Diego«, sagte Hunter. Dann stieg er auf sein Pferd und ritt davon.

  KAPITEL 10

  Crawford’s Valley lag einen leichten halbstündigen Ritt gen Norden, durch das üppige Grün am Fuße der Blue Mountains. Hunter gelangte zu einem hohen Kamm mit Blick über das Tal und sah am Ufer des plätschernden Bachs, der von einem Teich in den Felsen am Ostrand des Tals gespeist wurde, die angebundenen Pferde von Mrs Hacklett und ihren zwei Sklavinnen. Er sah auch eine Picknickdecke, auf der etwas zu essen ausgebreitet war.

  Er ritt zu den Pferden hinunter und band sein eigenes an. Im Handumdrehen hatte er die beiden schwarzen Frauen bestochen, indem er einen Finger an die Lippen presste und ihnen einen Shilling zuwarf. Kichernd huschten die Frauen davon. Sie waren nicht zum ersten Mal bestochen worden, Stillschweigen über ein heimliches Treffen zu bewahren, und Hunter hatte keine Sorge, sie könnten irgendwem verraten, was sie gesehen hatten.

  Er glaubte auch nicht, dass sie nicht schon bald durch die Büsche spähen würden, um leise lachend die beiden Weißen zu beobachten. Er schlich hinter den Felsen am Rand des Teichs entlang, der am Fuße eines sanften Wasserfalls lag. Mrs Hacklett planschte im Wasser der Quelle herum. Sie hatte Hunter noch nicht bemerkt.

  »Sarah«, sagte Mrs Hacklett zu der Sklavin, die sie noch immer in der Nähe wähnte, »kennst du diesen Captain Hunter, im Hafen?«

  »Hmm-hmmm«, sagte Hunter mit hoher Stimme. Er setzte sich neben ihre Kleidung.

  »Robert meint, er ist bloß ein gewöhnlicher Schurke und Pirat«, sagte sie. »Aber Robert schenkt mir so wenig Beachtung. Seit ich die Favoritin des Königs war – na, das ist wahrlich ein fideler Mann, das steht fest. Aber dieser Captain Hunter, er ist so stattlich. Genießt er die Gunst von vielen Frauen in der Stadt, weißt du das?«

  Hunter antwortete nicht. Er beobachtete die planschende Mrs Hacklett.

  »Ganz bestimmt. Er hat so einen Blick in den Augen, mit dem er das härteste Herz zum Schmelzen bringen kann. Und er ist offensichtlich stark und mutig, das könnte keiner Frau entgehen. Und seine Finger und seine Nase haben eine beachtliche Länge, was hinsichtlich seiner Aufmerksamkeiten Gutes verheißt. Hat er eine Favoritin i
n der Stadt, Sarah?«

  Hunter antwortete nicht.

  »Seine Majestät hat lange Finger, und er ist vorzüglich ausgestattet für das Schlafgemach.« Sie kicherte. »So etwas sollte ich gar nicht sagen, Sarah.«

  Hunter sagte noch immer nichts.

  »Sarah?« Sie drehte sich um und erblickte Hunter, der dasaß und sie angrinste.

  »Wisst Ihr nicht, wie ungesund baden ist?«, sagte Hunter.

  Sie spritzte wütend mit dem Wasser. »Alles, was über Euch geredet wird, ist wahr«, murrte sie. »Ihr seid ein niederträchtiger, ungehobelter, zutiefst verdorbener Mann und wahrlich kein Gentleman.«

  »Habt Ihr heute einen Gentleman erwartet?«

  Sie spritzte wieder mit dem Wasser. »Ich habe allerdings mehr als einen gemeinen Leisetreter und Dieb erwartet. Jetzt geht, damit ich mich ankleiden kann.«

  »Ich finde es hier überaus angenehm«, sagte Hunter.

  »Ihr weigert Euch zu gehen?«

  Sie war sehr wütend. In dem klaren Wasser konnte Hunter sehen, dass sie eigentlich zu dünn war für seinen Geschmack, eine kleinbrüstige, knochige Frau mit einem verhärmten Gesicht. Aber ihre Wut erregte ihn.

  »Ja, ich fürchte, ich weigere mich.«

  »Dann, Sir, habe ich Euch verkannt. Ich dachte, Ihr würdet einer Frau, die sich in einer unangenehmen Lage befindet, mit der gebotenen Höflichkeit und guten Manieren begegnen.«

  »In was für einer unangenehmen Lage befindet Ihr Euch denn?«, fragte Hunter.

  »Ich bin splitternackt, Sir.«

  »Das sehe ich.«

  »Und diese Quelle ist kalt.«

  »Ach ja?«

  »Allerdings.«

  »Und das habt Ihr soeben erst bemerkt?«