Gold - Pirate Latitudes Read online

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  »Sir, ich bitte Euch noch einmal, hört auf mit Eurer Unverfrorenheit und gewährt mir einen Augenblick Ungestörtheit, damit ich mich ankleiden kann.«

  Statt zu antworten, trat Hunter an den Rand des Wassers, nahm ihre Hand und zog sie auf den Felsen, wo sie tropfend und bibbernd stand, trotz der warmen Sonne. Sie funkelte ihn an.

  »Ihr holt Euch noch den Tod«, sagte er und grinste ob ihres offensichtlichen Unbehagens.

  »Dann lasst uns gleiche Bedingungen schaffen«, erwiderte sie und schubste ihn jählings in voller Montur ins Wasser.

  Er platschte hinein und ihm stockte der Atem, als er das eiskalte Wasser spürte. Er schnappte nach Luft. Er strampelte umher, während sie auf dem Felsen stand und ihn auslachte.

  »Madam«, sagte er, mit rudernden Armen. »Madam, ich flehe Euch an.«

  Sie lachte weiter.

  »Madam«, sagte er, »ich kann nicht schwimmen. Bitte helft mir –« Und sein Kopf tauchte kurz unter Wasser.

  »Ein Seefahrer, der nicht schwimmen kann?« Sie lachte noch lauter.

  »Madam …«, war alles, was er sagen konnte, als er auftauchte, um gleich wieder unterzugehen. Einen Augenblick später kam er platschend und unbeholfen tretend wieder hoch, und sie sah ihn besorgt an. Sie streckte ihm eine Hand hin, und er strampelte auf sie zu.

  Er nahm ihre Hand und riss mit einem Ruck daran, schleuderte sie in einem Bogen über seinen Kopf ins Wasser. Sie schrie laut auf und landete mit einem schmerzhaften Klatsch flach auf dem Rücken. Sie kreischte noch einmal, ehe sie unterging. Er lachte, als sie wieder auftauchte, und dann half er ihr aus dem Wasser auf den warmen Felsen.

  »Ihr seid nichts anderes«, haspelte sie, »als ein Grobian, ein Schuft, ein skrupelloser, bösartiger, schurkischer, niederträchtiger Hurensohn.«

  »Zu Euren Diensten«, sagte Hunter und küsste sie.

  Sie riss sich los. »Und dreist.«

  »Und dreist«, pflichtete er ihr bei und küsste sie erneut.

  »Ich nehme an, Ihr habt vor, mich wie eine gewöhnliche Frau von der Straße zu schänden.«

  »Ich glaube kaum«, sagte Hunter, während er seine nasse Kleidung abstreifte, »dass das nötig sein wird.«

  Und das war es auch nicht.

  »Am helllichten Tag«, sagte sie noch entsetzt, und das waren ihre letzten verständlichen Worte.

  KAPITEL 11

  Mitten am Tag unterbreitete Mr Robert Hacklett Sir James Almont beunruhigende Nachrichten. »In der Stadt kursieren Gerüchte«, sagte er, »dass Captain Hunter, derselbe Mann, mit dem wir erst gestern diniert haben, eine Piratenfahrt gegen eine spanische Niederlassung vorbereitet, vielleicht sogar Havanna.«

  »Ihr schenkt diesen Geschichten Glauben?«, fragte Almont seelenruhig.

  »Euer Exzellenz«, sagte Hacklett, »es ist eine schlichte Tatsache, dass Captain Hunter Vorräte für eine Seereise an Bord seiner Schaluppe Cassandra bringen lässt.«

  »Vermutlich«, sagte Almont. »Inwiefern ist das ein Beweis für ein Verbrechen?«

  »Euer Exzellenz«, sagte Hacklett, »beim größten Respekt, ich muss Euch darüber in Kenntnis setzen, dass Ihr diese Unternehmung dem Gerücht nach gebilligt und sogar pekuniär unterstützt haben sollt.«

  »Wollt Ihr damit sagen, ich habe dafür bezahlt?«, sagte Almont ein wenig gereizt.

  »Sozusagen, Sir James.«

  Sir James seufzte. »Mr Hacklett«, sagte er, »wenn Ihr ein wenig länger hier seid – sagen wir, so ungefähr eine Woche –, werdet Ihr gemerkt haben, dass ich irgendeinem Gerücht nach immer irgendeine Kaperfahrt gebilligt und bezahlt habe.«

  »Dann entbehren die Gerüchte also jeder Grundlage?«

  »Bis auf die Tatsache, dass ich Captain Hunter Papiere ausgehändigt habe, die ihn ermächtigen, an jedem ihm beliebigen Ort Blutholzbäume zu fällen. Aber damit ist mein Interesse an dieser Angelegenheit auch schon erschöpft.«

  »Und wo wird er diese Blutholzbäume fällen?«

  »Ich habe keine Ahnung«, sagte Almont. »Vermutlich an der Moskitoküste von Honduras. Wo das üblicherweise geschieht.«

  »Euer Exzellenz«, sagte Hacklett beharrlich, »darf ich Euch ergebenst daran erinnern, dass in diesen Friedenszeiten, die zwischen unserer Nation und Spanien herrschen, das Fällen von Blutholzbäumen eine Provokation darstellt, die leicht zu vermeiden wäre?«

  »Ihr dürft mich daran erinnern«, sagte Almont, »aber ich muss Euch korrigieren. Viele Landstriche in diesem Teil der Erde werden zwar von Spanien beansprucht, sind jedoch nicht besiedelt – es gibt dort keinen Ort, keine Kolonisten, keine Bürgerschaft. Da solcherlei Beweise für ein Herrschaftsgebiet fehlen, halte ich das Fällen von Blutholzbäumen für vertretbar.«

  »Euer Exzellenz«, sagte Hacklett, »seid Ihr nicht auch der Ansicht, dass eine harmlose Expedition zum Zwecke des Fällens von Blutholzbäumen, auch wenn Euer Argument durchaus vernünftig klingt, leicht in einen seeräuberischen Vorstoß umschlagen könnte?«

  »Leicht? Nein, Mr Hacklett, keineswegs leicht.«

  An Seine Ehrwürdigste Majestät Charles, durch Gottes Gnaden, von Großbritannien und Irland, König, Verteidiger des Glaubens etc.

  Das untertänige Gesuch des Stellvertretenden Gouverneurs von Seiner Majestät Plantagen und Ländereien auf Jamaika in Westindien.

  Stellt untertänigst fest,

  dass ich, Euer Majestät höchst getreuer Untertan, der ich von Euer Majestät damit betraut wurde, die Empfindungen und Wünsche des Hofes hinsichtlich seeräuberischer Unternehmungen in Westindien zu vertreten; und besagte Empfindungen und Wünsche Sir James Almont, Gouverneur des vorgenannten Gebietes Jamaika, durch Sendschreiben und mündliche Erklärung zur Kenntnis gebracht habe, berichten muss, dass der Beendigung und Unterbindung der Piraterie in diesen Teilen der Erde wenig Beachtung geschenkt wird. Im Gegenteil, ich muss, so sehr es mich betrübt, ehrlicherweise kundtun, dass Sir James selbst mit allen möglichen Spitzbuben und Schuften verkehrt; dass er durch Wort und Tat und bare Münze die Fortdauer von heimtückischen und blutigen Angriffen auf spanische Gebiete unterstützt; dass er die Nutzung von Port Royal als Treffpunkt dieser Halsabschneider und Schurken sowie für die Verteilung ihrer unrechtmäßig erworbenen Gewinne gestattet; dass er keinerlei Reue ob derlei Umtriebe erkennen lässt und nichts darauf hindeutet, dass er ihnen in Zukunft einen Riegel vorzuschieben gedenkt; dass er selbst ein Mann ist, der aufgrund schlechter Gesundheit und loser Moral für hohe Funktionen ungeeignet ist; dass er alle möglichen Arten von Verderbtheit und Laster im Namen seiner Majestät duldet. Aus all den genannten Gründen und kraft der vorgebrachten Beweise beschwöre ich Eure Majestät untertänigst, diesen Mann seines Amtes zu entheben und, mit der großen Weisheit Seiner Majestät, einen geeigneteren Nachfolger zu erwählen, der die Krone nicht tagtäglich zum Gespött machen wird. Ich bitte untertänigst und voller Demut um Euer Majestäts königliche Bewilligung dieses schlichten Gesuchs.

  Ich verbleibe stets Euer überaus treuer, ergebener und gehorsamer Diener.

  Robert Hacklett

  GOTT SCHÜTZE DEN KÖNIG

  Hacklett las den Brief erneut, fand ihn zufriedenstellend und läutete nach dem Dienstmädchen. Anne Sharpe erschien.

  »Kind«, sagte er, »bitte sorge dafür, dass dieser Brief mit dem nächsten Schiff nach England geht.« Und er reichte ihr eine Münze.

  »Mylord«, sagte sie mit einem kleinen Knicks.

  »Achte sorgsam auf ihn«, sagte Hacklett und bedachte sie mit einem drohenden Blick.

  Sie steckte die Münze in ihre Bluse. »Wünschen Mylord noch etwas anderes?«

  »Hä?«, sagte er leicht überrascht. Das kesse Mädchen leckte sich die Lippen und lächelte ihn an. »Nein«, sagte er knapp. »Und jetzt fort mit dir.«

  Sie ging.

  Er seufzte.

  KAPITEL 12

  Bei Fackelschein überwachte Hunter das Beladen seines Schiffes bis spät in die Nacht.

  Die Kaigebühren in Port Royal waren hoch. Ein gewöhnliches Handelsschiff konnte es sich nicht leisten, länger als zwei Stunden zum Be-und Entladen anzudocken, doch Hunters kleine Schaluppe Cassandra lag schon volle zwö
lf Stunden am Kai vertäut, ohne dass von Hunter auch nur ein Penny verlangt wurde. Im Gegenteil, Cyrus Pitkin, dem der Anleger gehörte, zeigte sich entzückt, Hunter den Liegeplatz zu überlassen, und damit der Kapitän das großzügige Angebot auch ja nicht ablehnte, lieferte er ihm obendrein noch fünf kostenlose Fässer Wasser.

  Hunter nahm höflich an. Er wusste, dass Pitkin nicht aus wahrem Edelmut handelte, sondern dass er nach der Rückkehr der Cassandra irgendeine Gegenleistung erwarten würde, und er würde sie bekommen.

  In ähnlicher Manier nahm er von Mr Oates, einem Farmer auf der Insel, ein Fass Pökelfleisch entgegen. Und von Mr Renfrew, dem Waffenschmied nahm er ein Fässchen Schießpulver entgegen. All das erfolgte mit ausgesuchter Höflichkeit und einem scharfen Auge für den erhaltenen und erwarteten Gegenwert.

  Wenn gerade kein höflicher Tauschhandel stattfand, befragte Hunter jedes Mitglied seiner Besatzung und ließ sie von Mr Enders auf Krankheiten hin untersuchen, um sicherzugehen, dass sie gesund waren, ehe sie an Bord durften. Hunter überprüfte auch sämtliche Vorräte, öffnete jedes einzelne Fass mit Schweinefleisch und Wasser, schnupperte an dem Inhalt, tauchte dann mit der Hand bis auf den Boden, um sich zu vergewissern, dass es bis unten gefüllt war. Er kostete jedes Fass Wasser, und er überzeugte sich persönlich, dass die Bestände an Trockenkeksen frisch und frei von Rüsselkäfern waren.

  Auf einer langen Ozeanfahrt war es dem Kapitän nicht möglich, eine solche Überprüfung selbst vorzunehmen. Für eine Ozeanreise waren buchstäblich Tonnen an Nahrungsmitteln und Wasser für die Passagiere erforderlich, und das Fleisch kam zum großen Teil lebendig an Bord, wo es kreischte und muhte.

  Doch Freibeuter stachen anders in See. Ihre kleinen Schiffe waren vollgestopft mit Männern und hatten nur wenig Proviant geladen. Ein Freibeuter rechnete nicht mit gutem Essen während der Fahrt; mitunter wurde sogar überhaupt kein Essen mitgenommen, und das Schiff fuhr mit der Erwartung los, bei der Plünderung eines Schiffes oder eines Ortes an Proviant zu gelangen.

  Freibeuter waren auch nicht schwer bewaffnet. Die Cassandra, eine siebzig Fuß lange Schaluppe, hatte vier Falkonetten, schwenkbare Geschütze, die längsschiffs aufgestellt waren. Das waren ihre einzigen Bordwaffen, und die konnten es schwerlich mit einem fünft-oder sechstklassigen Kriegsschiff aufnehmen. Die Freibeuter setzten stattdessen auf Geschwindigkeit und Wendigkeit – und auf geringen Tiefgang –, um ihren gefährlicheren Gegnern zu entkommen. Sie konnten dichter am Wind segeln als ein größeres Kriegsschiff, und sie konnten flache Häfen und Fahrrinnen ansteuern, in die ihnen größere Schiffe nicht folgen konnten.

  Im Karibischen Meer, wo sie so gut wie nie außer Sichtweite irgendeiner Insel mit ihrem schützenden Ring aus flachen Korallenriffen waren, fühlten sie sich ausreichend sicher.

  Hunter überwachte das Beladen seines Schiffes bis kurz vor Tagesanbruch. Immer wenn sich eine Gruppe Neugieriger versammelte, schickte er sie weg. In Port Royal wimmelte es von Spionen; spanische Siedlungen zahlten gut für frühzeitige Hinweise auf einen geplanten Überfall. Und Hunter wollte unter gar keinen Umständen, dass irgendwer die ungewöhnliche Ausrüstung sah, die er mit an Bord nahm – das viele Seil, die Enterhaken und die seltsamen Flaschen, die der Jude in Kisten gebracht hatte.

  Die Kisten des Juden wurden sogar in Öltuchsäcke gepackt und unter Deck gelagert, wo selbst die Seeleute sie nicht sehen konnten. Sie waren, wie Hunter zu Don Diego gesagt hatte, »unser kleines Geheimnis«.

  Als der Morgen graute, kam Mr Enders, der noch immer voller Tatendrang war, mit federndem, beschwingtem Gang herüber und sagte: »Verzeiht, Captain, aber am Lagerhaus lungert schon fast die ganze Nacht ein einbeiniger Bettler herum.«

  Hunter spähte zu dem Gebäude hinüber, das im Halbdunkel des frühmorgendlichen Dämmerlichts lag. Die Docks waren keine lohnende Gegend zum Betteln. »Kennt Ihr ihn?«

  »Nein, Captain.«

  Hunters Stirn legte sich in Falten. Unter anderen Umständen könnte er den Mann mit der Bitte zum Gouverneur schicken, den Bettler für ein paar Wochen ins Marshalsea-Gefängnis zu stecken. Aber die Nacht war noch nicht vorüber; der Gouverneur schlief noch und wäre nicht erfreut über die Störung. »Bassa.«

  Die riesige Gestalt des Mauren tauchte neben ihm auf.

  »Siehst du den Bettler mit dem Holzbein?«

  Bassa nickte.

  »Töte ihn.«

  Bassa ging weg. Hunter wandte sich Enders zu, der seufzte. »Ich denke, es ist am besten so, Captain.« Er wiederholte das alte Sprichwort. »Besser eine Seefahrt blutig beginnen als blutig beenden.«

  »Ich fürchte, wir könnten beides erleben«, sagte Hunter und machte sich wieder an die Arbeit.

  Als die Cassandra eine halbe Stunde später ablegte und Lazue am Bug stand, um im dämmrigen Morgenlicht nach den Untiefen von Pelican Point Ausschau zu halten, warf Hunter einen letzten Blick auf den Hafen und auf Port Royal. Die Stadt schlief friedlich. Die Laternenanzünder löschten die Fackeln am Dock. Ein paar Leute, die sich mit guten Wünschen verabschiedet hatten, wandten sich zum Gehen.

  Dann sah er den einbeinigen Bettler mit dem Gesicht nach unten tot im Wasser treiben. In der Flut schaukelte der Leichnam hin und her, und das Holzbein schlug sachte gegen einen Pfahl.

  Das war, so dachte er, entweder ein gutes oder ein schlechtes Omen. Was von beidem, das blieb abzuwarten.

  KAPITEL 13

  »›Mit allen möglichen Spitzbuben und Schuften verkehrt‹«, knurrte Sir James. »›Die Fortdauer … von heimtückischen und blutigen Angriffen auf spanische Gebiete unterstützt‹ – Allmächtiger, ›heimtückisch und blutig‹, der Mann ist wahnsinnig – ›die Nutzung von Port Royal als häufigen Treffpunkt dieser Halsabschneider und Schurken gestattet … für hohe Funktionen ungeeignet … alle möglichen Arten von Verderbtheit duldet …‹ Zur Hölle mit dem Mann.«

  Sir James Almont, noch im Morgenrock, wedelte mit dem Brief in seiner Hand. »Zur Hölle mit dem Spitzbuben und Schuft«, sagte er. »Wann hat er dir den gegeben?«

  »Gestern, Euer Exzellenz«, sagte Anne Sharpe. »Ich dachte, Ihr hättet ihn gern, Euer Exzellenz.«

  »Und ob«, sagte Almont und gab ihr eine Münze für ihre Mühe. »Und wenn du noch mehr davon bringst, so wirst du fürder belohnt werden, Anne.« Er dachte bei sich, dass sie sich als besonders kluges Kind erwies. »Hat er dir Avancen gemacht?«

  »Nein, Euer Exzellenz.«

  »Hab ich mir gedacht«, sagte Almont. »Nun, wir werden uns eine Möglichkeit überlegen, wie wir Mr Hackletts Ränkespielchen ein für alle Mal unterbinden.«

  Er trat ans Fenster seines Schlafgemachs und blickte hinaus. Im Licht der Morgendämmerung steuerte die Cassandra jetzt gen Osten um die Spitze von Lime Cay, hisste das Großsegel und nahm Fahrt auf.

  Wie alle Freibeuterschiffe steuerte die Cassandra zunächst Bull Bay an, eine kleine Bucht ein paar Meilen östlich von Port Royal. Dort angekommen, drehte Mr Enders das Schiff in den Wind, und mit schlaff in der leichten Brise flatternden Segeln hielt Captain Hunter seine Rede.

  Allen an Bord waren drei Formalitäten bekannt. Erstens, Hunter verlangte eine einstimmige Wahl zum Kapitän des Schiffes; ein Chor von Ja-Stimmen begrüßte ihn. Dann legte er die Regeln der Reise fest – kein Alkohol, keine Unzucht und keine Plünderungen ohne seinen Befehl: Wer gegen diese Regeln verstieß, wurde mit dem Tode bestraft. Sie waren üblich und wurden nur kleinlaut mit Ja bestätigt.

  Als Nächstes erläuterte er die Aufteilung der Beute. Als Kapitän würde Hunter dreizehn Anteile bekommen. Sanson würde sieben erhalten – die Zahl wurde mit einigem Gemaule quittiert – und Mr Enders anderthalb. Lazue würde eineinviertel bekommen. Ebenso Black Eye. Der Rest würde gleichmäßig unter der Besatzung aufgeteilt.

  Einer der Seeleute ergriff das Wort. »Captain, ist Matanceros unser Ziel? Das ist gefährlich.«

  »Ja, das ist es«, sagte Hunter, »aber die Beute ist gewaltig. Jeder Einzelne wird reichlich belohnt werden. Jeder, der die Gefahr für zu groß hält, wird hier an Land gesetzt, in dieser Bucht, ohne meine Wertschätzung zu verlieren. Doch er muss von Bord gehen, bevor ich euch von dem Schatz erzäh
le, der dort zu holen ist.«

  Er wartete. Niemand rührte sich oder sagte etwas.

  »Also gut«, sagte Hunter. »Im Hafen von Matanceros liegt eine Nao aus der spanischen Schatzflotte, und die werden wir uns schnappen.« Die Besatzung brach in jubelndes Getöse aus, das Hunter erst nach einigen Minuten bändigen konnte. Und als alle wieder verstummt waren und ihn anblickten, sah er das Funkeln in den Augen, das von Goldvisionen gespeist wurde. »Seid ihr dabei?«, rief Hunter. Alle antworteten mit einem lauten Schrei.

  »Dann auf nach Matanceros.«

  TEIL II

  DAS SCHWARZE SCHIFF

  KAPITEL 14

  Aus der Ferne betrachtet, bot die Cassandra einen prächtigen Anblick. Die Segel waren straff in der Morgenbrise gespannt, sie war um ein paar Grad gekrängt und pflügte zischend einen Pfad durch das klare blaue Wasser.

  An Bord des Schiffes war es jedoch eng und unangenehm. Sechzig kampferprobte Männer, schmuddelig und übelriechend, rangelten sich um ein Plätzchen zum Sitzen, Kartenspielen oder Schlafen in der Sonne. Sie erleichterten sich hemmungslos ins Meer, und ihrem Kapitän bot sich häufig der Anblick von einem halben Dutzend nackter Hinterteile dar, die leewärts über das Schandeck ragten.

  Am ersten Tag wurde weder Essen noch Wasser ausgegeben. Die Mannschaft hatte damit gerechnet und am letzten Abend in Port ordentlich feste und flüssige Nahrung zu sich genommen.

  Zudem ging Hunter am Abend nicht vor Anker. Für gewöhnlich steuerten die Freibeuter irgendeine geschützte Bucht an, damit die Besatzung an Land schlafen konnte. Doch Hunter segelte die erste Nacht ohne Unterbrechung durch. Er hatte zwei Gründe zur Eile. Erstens fürchtete er Spione, die womöglich nach Matanceros aufbrachen, um die dort stationierte Garnison zu warnen. Und zweitens wollte er nicht unnötig Zeit verlieren, da das Schatzschiff den Hafen von Matanceros jederzeit verlassen konnte.